Dirk-Sören Lühmann, Dissertation, Department Physik der Universität Hamburg, 2009 :

"Multiorbitale Physik in optischen Gittern"


"Multiorbital Physics in Optical Lattices"



Schlagwörter: optical lattices, ultracold atoms, orbital physics, superfluid to Mott insulator quantum phase transition, BEC, Bose-Fermi mixtures, exact diagonalization, renormalized multiband Hubbard model, orbital renormalization, occupation-dependent tunneling and on-site interaction, strongly correlated systems, finite systems, localization in non-commensurate systems, Mott shells, self-trapping, momentum-resolved Bragg spectroscopy, multiorbital quantum phase evolution
PACS : 03.75.Lm, 37.10.Jk, 03.75.Mn, 03.75.Ss, 71.10.Fd
Volltext
Der Volltext wurde auch als Buch/Online-Dokument (ISBN 978-3-86853-575-4) im Verlag Dr. Hut veröffentlicht.

Summary

Kurzfassung

In der vorliegenden Arbeit werden ultrakalte bosonische Gase und Mischungen von Bosonen und Fermionen in optischen Gittern untersucht. Dabei werden insbesondere endliche Systeme und orbitale Effekte behandelt. Bisher wurde der Einfluss von höheren Bändern in optischen Gittern weitestgehend vernachlässigt und das Hubbard-Modell verwendet, das auf das niedrigste Band beschränkt ist. Hier wird gezeigt, dass die Berücksichtigung höherer Bänder zu neuartigen Effekten führt wie dem Self-Trapping und der verstärkten Lokalisierung in attraktiv wechselwirkenden Mischungen sowie einer komplexen Quantenphasenentwicklung in bosonischen Systemen. Die Wechselwirkung zwischen den Teilchen an einem Gitterplatz führt zu stark korrelierten Zuständen, die mit einem multiorbitalen exakten Diagonalisierungsverfahren untersucht werden.

In attraktiv wechselwirkenden Bose-Fermi-Mischungen (87-Rb - 40-K) in dreidimensionalen optischen Gittern bewirkt die gegenseitige Wechselwirkung eine große Veränderung der effektiven Potentiale und Orbitale beider Atomsorten. Vermittelt durch das stark deformierte Orbital der Fermionen zeigen die Bosonen ein Self-Trapping-Verhalten. Die Boson-Boson-Abstoßung wird dabei durch die nichtlineare Abhängigkeit von der Breite des fermionischen Orbitals überkompensiert. Die sich selbstverstärkende Verformung der effektiven Potentiale nimmt mit höherer Füllung und stärkerer Boson-Fermion-Streuung zu und hat einen erheblichen Einfluss auf das bosonische Tunneln und die Gitterplatzwechselwirkung. Durch die Beschreibung des Systems mittels eines renormalisierten Hubbard-Modells mit effektiven Parametern kann die kritische Gittertiefe des bosonischen Quantenphasenübergangs zwischen Supraflüssigkeit und Mott-Isolator bestimmt werden. Das Modell sagt eine substanzielle Verschiebung des Übergangs im Vergleich zu einem rein bosonischen System voraus, die auch in Experimenten beobachtet wurde. Der Vergleich mit Experimenten, die es erlauben die Boson-Fermion-Wechselwirkung zu verändern, liefert eine hervorragende Übereinstimmung. Dies verdeutlicht den wichtigen Einfluss von wechselwirkungsinduzierten orbitalen Veränderungen in attraktiv wechselwirkenden Quantengasmischungen in optischen Gittern.

Für bosonische Gase in endlichen optischen Gittern mit wenigen Gitterplätzen wird eine überraschend gute Übereinstimmung mit makroskopischen Systemen aufgezeigt. Die Lokalisierung in endlichen Systemen mit kommensurabler Füllung ähnelt dem makroskopischen Phasenübergang von der supraflüssigen zur Mott-isolierenden Phase in vielerlei Hinsicht. Insbesondere wird eine auffällig große Übereinstimmung der Impulsverteilung und bei der Entstehung der Energielücke gefunden. Bei nichtkommensurablen Füllungen in tiefen Gittern ist eine Koexistenz von lokalisierten und delokalisierten Teilchen beobachtbar. Das sich ausbildende schmale Grundzustandsband reagiert extrem empfindlich auf Störungen im Gitter, die zum Beispiel durch das Einschlusspotential verursacht werden und die Lokalisierung aller Teilchen in einer Bose-Glas-artigen Phase verursachen. Für hohe Einschlusspotentiale wird ein Vorläufer von Mott-Schalen gefunden. In tiefen Gittern erlaubt ein Näherungsverfahren, in dem das Tunneln perturbativ behandelt werden kann, die Anregungsenergien, Besetzungszahlen und Teilchenfluktuationen für große dreidimensionale Systeme mit beliebigem Einschlusspotential zu berechnen.

Für schwach wechselwirkende Quantengase in optischen Gittern wird die Bandstruktur für experimentelle Parameter unter Benutzung der Bogoliubov-Theorie berechnet. Die Bandstruktur wird substanziell durch Wechselwirkungseffekte verändert und zeigt eine gute Übereinstimmung mit den Ergebnissen der impulsaufgelösten Bragg-Spektroskopie von 87-Rb-Atomen in der supraflüssigen Phase. In stark wechselwirkenden Systemen wird der dynamische Strukturfaktor mittels exakter Diagonalisierung in Hinblick auf charakteristische Merkmale der Mott-Isolator-Phase und möglichen Phasen in Bose-Fermi-Mischungen untersucht.

Multiorbitale Effekte in bosonischen Gittersystemen können experimentell in tiefen Gittern durch die Präparation einer kohärenten Überlagerung von Teilchenzahlzuständen zugänglich gemacht werden. Dies wird erreicht durch eine schnelle Veränderung der Potentialtiefe von einem flachen zu einem tiefen optischen Gitter. Im Gegensatz zu den Vorhersagen des Hubbard-Modells ist eine Mehrfrequenz-Zeitentwicklung des Materiewellenfelds beobachtbar, da sich die Teilchenzahlzustände entsprechend ihrer exakten Wechselwirkungsenergie entwickeln. Die Berücksichtigung höherer Orbitale führt zu einem Hamilton-Operator mit effektiven Vielkörper-Wechselwirkungen. Mit Hilfe der multiorbitalen Diagonalisierung werden die exakten Wechselwirkungsenergien berechnet, die vollständig die Vielteilchenkorrelationen sowie Korrekturen von kinetischer und potentieller Energie berücksichtigen. In der Realisierung dieses Experiments kann aufgrund des fehlenden Einschlusspotentials angenommen werden, dass nur gebundene Orbitale besetzt sind. Dies erlaubt einen sehr genauen Vergleich von Experiment und Theorie, die hervorragend übereinstimmen. Zusätzlich gestattet der Vergleich die Bestimmung der s-Wellenstreulänge für 87-Rb-Atome. Dies zeigt, dass neueste Experimente den Zugang zu hoch korrelierten Zuständen ermöglichen und die multiorbitale Physik in optischen Gittern eine wichtige Rolle spielt.

Titel

Kurzfassung

Summary

In this thesis, ultracold bosonic gases and mixtures of bosons and fermions in optical lattices are studied with special regard to finite-size and orbital effects. In preference for a Hubbard-type single-band Hamiltonian, the influence of higher bands in optical lattices has been widely neglected so far. Here, it is shown that the inclusion of higher orbitals leads to novel physical effects such as a self-trapping behavior and the enhanced localization in attractively interacting mixtures as well as a complex quantum phase evolution in purely bosonic systems. The on-site interaction among the particles causes strongly correlated states, which are investigated using a multiorbital exact diagonalization technique.

In attractively interacting Bose-Fermi mixtures (87-Rb - 40-K) in three-dimensional optical lattices, the mutual interaction leads to a substantial deformation of the effective potentials and a squeezing of the effective orbitals for both species. Mediated by the strongly altered fermion orbital, the bosons exhibit a self-trapping behavior, where the nonlinear dependence on the width of the fermion orbital overcompensates the boson-boson repulsion. The self-amplified modification of the effective potentials, being enhanced with both increasing bosonic filling and stronger interspecies scattering, has profound influence on the bosonic tunneling and the on-site interaction. Introducing a renormalized Bose-Hubbard model with effective parameters, the critical lattice depth for the bosonic quantum phase transition from a superfluid to a Mott insulator is determined. It predicts a substantial shift of the transition in comparison with a purely bosonic system, which has been observed in recent experiments. It is shown that this renormalized model is in excellent agreement with experiments allowing for tunable interspecies interactions. In general, this demonstrates the fundamental importance of interaction induced orbital changes in attractively interacting quantum gas mixtures in optical lattices.

For bosonic gases in finite optical lattices with few sites, a surprisingly strong similarity to macroscopic systems is found. The localization in finite systems with commensurate filling resembles in many aspects the macroscopic quantum phase transition between a superfluid and a Mott-insulator, including a striking similarity of the momentum distribution and the formation of an energy gap. For noncommensurate filling, a coexistence of localized and delocalized particles is observable in deep lattices in accordance to the equivalence of lattice sites. The formed narrow ground-state band is extremely sensitive to lattice perturbations, such as confining potentials, which cause the localization of all particles in a Bose-glass-like phase. For stronger confinements, the precursor of Mott shells is identified. In deep lattices, an approximate approach, where tunneling can be included on a perturbative level, allows to calculate excitation energies, occupation numbers, and particle fluctuations for large three-dimensional systems with an arbitrary shape of the confinement.

For weakly interacting quantum gases in optical lattices, the band structure is calculated for experimental parameters using the Bogoliubov theory. The band structure is substantially modified by interaction effects in agreement with results of momentum-resolved Bragg spectroscopy performed for 87-Rb atoms in the superfluid phase. In strongly interacting systems, the dynamic structure factor is studied by exact diagonalization addressing the fingerprints of the Mott-insulator phase and of possible phases in Bose-Fermi mixtures.

Multiorbital effects in bosonic lattice systems can experimentally be accessed by preparing a coherent superposition of particle number states in deep potentials, which is achieved by rapidly ramping the optical lattice from shallow to deep. In great contrast to the prediction of the single-band Hubbard model, a multifrequency evolution of the matter wave field is observable as each particle number state evolves in accordance to its exact interaction energy. The inclusion of higher orbitals leads to a Hamiltonian with effective multi-body interactions. The interaction energies are calculated using the multiorbital diagonalization method, which fully includes many-particle correlations and corrections from kinetic and potential energy. Due to the anticonfinement in the experimental realization, it can be assumed that only bound orbitals are occupied allowing for a highly accurate comparison of theory and experiment, which show a compelling agreement. In addition, the comparison even allows to determine the s-wave scattering length for 87-Rb atoms. This demonstrates that state-of-the-art experiments permit to access highly correlated states and that multiorbital physics plays an important role in optical lattices.